Finanzierungs-Probleme
Der weitere Verlauf zeigt, dass die kirchliche Behörde mit ihrer Aufforderung zum Kirchbau keineswegs die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung stellte. Die Diözesen, mit dem Aufbau vieler zerstörter Kirchen finanziell hoch belastet, waren dazu auch gar nicht in der Lage. Der „Vorschlag“ des Offizials, war eher als Aufforderung an den Gemeindepriester zu sehen, seine Gläubigen zu entsprechenden Finanz- und Eigenleistungen zu motivieren. Möglicherweise waren dem Bischöflichen Offizial, der seinen Sitz in Vechta hat, die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen reichen Bauern in Südoldenburg und Vertriebenen in der Wesermarsch nicht geläufig, in der vorkonziliaren Zeit gab es noch keine Kirchenausschüsse, die ein Finanzierungskonzept aufgestellt und verantwortlich geprüft hätten.
Die finanziell kaum belastbare Gemeinde stand nunmehr vor einer großen, für sie allein nicht lösbaren Aufgabe. Mit den bescheidenen Mitteln des Lastenausgleichs versuchte die Mehrzahl der Vertriebenen sich auf einer eigenen Scholle eine kleine, aber verlässliche Bleibe zu schaffen. Sie wollten endlich aus den Baracken und Notunterkünften herauszukommen. Jede für Material erforderliche Mark wurde fünfmal herumgedreht und „Bauen“ bedeutete „Selbstbauen“. Nach geleisteter Tagesarbeit musste jede freie Minute zur Eigenleistung genutzt werden. Spendengelder zum Kirchbau und Eigenleistungen in der Bauausführung waren somit in der Gemeinde nur sehr begrenzt verfügbar.
Für Laien und Priester heute kaum noch vorstellbar war die damalige Situation des verantwortlichen Pfarr-Rektors Witte. Einerseits war er von der Notwendigkeit des Neubaus überzeugt und sah sich vom Bischöflichen Offizial dazu beauftragt. Andererseits standen ihm die Not und die geringe wirtschaftliche Belastbarkeit seiner Gemeindemitglieder überdeutlich vor Augen. Ihn als den Verantwortlichen begleiteten die Probleme der Finanzierung während der ganzen Bauzeit.
Aufbau kirchlicher Jugendgruppen
Nach Kriegsende sahen die Priester der Gemeinde, hier im besonderen Pfarrrektor Witte, die Notwendigkeit intensiver kirchlicher Jugendarbeit. Mit ihrer maßgeblichen Unterstützung wurden die DKJ-Wasserwanderer, eine Pfadfindergruppe und verschiedene Gruppen der weiblichen Jugend gegründet. Pfarrrektor Witte verstand es, junge Menschen sowohl für die Kirche als auch für die gesellschaftliche Verantwortung in der Welt zu motivieren und zu begeistern. Im Rahmen der Gründung und des Aufbaus einer Pfarrbücherei sorgte er besonders für gute Jugendliteratur.
Nur wenige verfügbare Dokumente zeugen von der damaligen, überaus regen Jugendarbeit. Margarete Ehlert war Dekanats-Jugendführerin des Dekanats Delmenhorst, Pfarr-Rektor Witte war Dekanats-Jugendseelsorger. Wichtige Impulse der Dekanats-Jugendarbeit kamen aus Lemwerder.
Sowohl die lokale als auch die überpfarrliche Arbeit der Jugend sollte sich für den Aufbau der Gemeinde und vor allem für den Kirchbau als wesentlich herausstellen. Das zeigte sich, als der Diözesan-Jugendseelsorger Wilms 1955 eine Reise in den Norden der Diözese machte und dabei Lemwerder besuchte. Hier erlebte er den engagierten Einsatz der katholischen Jugendgruppen, er vernahm die Aufforderung des Bischöflichen Offizials, eine Kirche zu bauen und erkannte die hoffnungslose Finanzsituation. Hier nahm die Absicht Gestalt an, die Jugend der Diözese Münster für den Bau der Kirche in Lemwerder zu gewinnen:
„Dem Herrn ein Haus, der Gemeinde eine Heimat“
Bittbriefe der Jugendführer aus Lemwerder wurden an alle Jugend-Gruppenleiter des Offizialats gesandt. Weitere Aufrufe an die Jugend des Bistums erfolgten durch die Diözesan-Jugendseelsorgern Kaplan Wilms und Dr. Schlagermann.
Die in Fulda versammelten Bischöfe gaben der Aktion weitere Unterstützung indem sie schrieben:
„Mit Befriedigung und Freude haben die deutschen Bischöfe zur Kenntnis genommen, welch lebendiger Widerhall ihr gemeinsamer Aufruf zur Förderung des Kirchenbaus in der Diaspora bei den katholischen Organisationen und Verbänden gefunden hat“
Unermüdlicher Einsatz
Pfarr-Rektor Witte ließ es nicht bei der Motivation der Jugend bewenden. Er selbst warb wo immer es möglich war für die Unterstützung des Kirchbaus in Lemwerder. Bei der Durchsicht alter Unterlagen wird sein Engagement überdeutlich: Mit heute kaum vorstellbarer Eindringlichkeit hielt er ab dem Herbst 1955 Bittpredigten in den Kirchen der näheren und weiteren Umgebung.
Er bat um Unterstützung von Firmen und Organisationen und wandte sich z.B. mit dem finanziellen Problem an seine Jahrgangskollegen aus dem Priesterseminar. Es gelang im sogar, den Bischöflichen Offizial zu einem Hilfe-Aufruf für den Kirchbau in Lemwerder an seine Amtsbrüder zu veranlassen.
Neue Hoffnung
Durch die vielfältige Unterstützung spürten die Katholiken in der Diaspora, dass sie nicht alleine gelassen sind. In einer Veröffentlichung der Diözesanzeitung „Kirche und Leben“ wird berichtet:
"Auf ihrer Jahreskonferenz hat die Führerschaft der Katholischen Jugend des Bistums Münster beschlossen, mit der gesamten katholischen Jugend den Bau einer Diasporakirche in Nordoldenburg wesentlich mitzutragen. In einer Kirchenbauaktion Lemwerder will sie in den kommenden Monaten einen beträchtlichen Teil der finanziellen Mittel aufbringen, die zum Neubau einer Pfarrkirche erforderlich sind".
In der Folge machten die Diözesan-Jugendleiter der männlichen und weiblichen Jugend das Programm
„Baut dem Herrn ein Haus, der Gemeinde eine Heimat. Wir bauen eine Kirche in Lemwerder“
durch den Verkauf von „Bausteinen“ weit über die Diözese Münster hinaus bekannt. Vor dem Hintergrund der bistumsweiten, erfolgreich anlaufenden Sammelaktion nimmt sich die Jugend der Gemeinde Lemwerder ein anspruchsvolles, neues Ziel vor: „Wir Jugendlichen sorgen mit unsern kleinen Ersparnissen für den Altar der neuen Kirche“. Später zeigte sich, dass ihr Vorhaben gelingt. Mit gesammelten 14 000 DM finanzierten sie den mächtigen Altartisch.
All diese Aktionen machten den Kirchbau in Lemwerder zu einem in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Projekt, in der Region, im Bistum Münster und darüber hinaus. Noch vor dem Abschluss der Sammelaktion berichtete die katholische Presse, dass eine Summe von 100 000 DM von den Jugendlichen der Diözese aufgebracht worden sei, 40 000 DM davon allein im Offizialatsbezirk. Schließlich wurden es 111 000 DM!